Psychologen erforschen ja manchmal wunderbare Fragen. Zum Beispiel die, welchen Aussagen man mehr und welchen man weniger glaubt. Und ob Sie es glauben oder nicht: Unser Vertrauen in Aussagen hängt von den kuriosesten Faktoren ab!
Durch den Nobelpreisträger Daniel Kahneman („Schnelles Denken, langsames Denken“) haben die Sphären Psychologie und Typografie eine spannende Schnittmenge bekommen, die vorher kaum existierte. In jedem Fall aber sind einige Beispiele und Experimente aus dieser Schnittmenge zuletzt richtig berühmt geworden. Bestimmt kennen Sie den Versuch mit den zwei Sätzen über Adolf Hitler? Falls nicht, hier ist es: Welcher Satz ist wahr?
Adolf Hitler wurde 1892 geboren.
Adolf Hitler wurde 1887 geboren.
Beide sind falsch, Hitler wurde 1889 geboren. Statistisch dürfte aber eine Mehrheit von Ihnen auf 1892 getippt haben. Warum? Weil die Aussage fett gedruckt ist!
Kahneman stellte in seinem Bestseller gleich eine ganze Reihe solcher Experimente vor. Allen gemeinsam ist eine Erkenntnis: Wenn Sie es den Leuten leichtmachen, Ihre Texte zu lesen (oder zu hören), dann werden Sie Ihnen eher glauben. „Kognitive Leichtigkeit“ nennt Kahneman das. Fettsatz erhöhe demnach die Glaubwürdigkeit. Auch wirkten bestimmte Farben vertrauenerweckender als andere. Hellem Blau und Rot etwa werde eher vertraut als blassem Blau, Gelb oder Grün.
In die Schnittmenge Typo-Psychologie fallen im letzten Jahrzehnt einige weitere spannende Forschungsergebnisse. Einen alternativen Nobelpreis etwa heimste Daniel Oppenheimer für seinen Aufsatz „Consequences of Erudite Vernacular Utilized Irrespective of Necessity: Problems with Using Long Words Needlessly” (Link=PDF) ein. Der Titel zeigt selbst schon Humor, denn er ist zweigeteilt: vorne unnötig komplizierte Sprache, hinten leicht verständliche Sprache.
Die inhaltliche Quintessenz des Aufsatzes kann man so ausdrücken: Viele glauben ja, man schätze einen Autor intelligenter ein, wenn er sich kompliziert ausdrücke. Oppenheimer stellte aber das genaue Gegenteil fest: Man stuft jemandes Intelligenz niedriger ein, wenn er sich geschwollen ausdrückt, obwohl er eigentlich einfachen Inhalt vorträgt.
Um seine Befunde empirisch abzusichern, experimentierte Oppenheimer auch mit solch banalen Faktoren wie schwachem Druckbild (Toner fehlt) oder schlecht lesbaren Schriftarten. Dabei konnte er die Thesen Kahnemans zur Kognitiven Leichtigkeit bestätigen: Machen Sie den Leuten das Lesen leicht und sie werden Ihnen mehr vertrauen!
Und was ist dann wohl die Schriftart, die am meisten Vertrauen erweckt? Das wollte die New York Times herausfinden und startete online ein Experiment dazu. 45.000 Probanden klickten auf eine Seite, auf der die These vertreten wurde, Asteroiden stellten für uns Menschen keine Gefahr dar. Veranstalter Errol Morris setzte den Text in ganz verschiedene Schriftarten: Comic Sans, Helvetica (ähnlich Arial), Georgia, Trebuchet, Baskerville und die Proportionalschrift Computer Modern.
Ergebnis: Die Comic Sans hatte die niedrigste Zustimmungsrate und eine der höchsten Raten beim Misstrauen. Klarer Sieger wurde dagegen die Schrift Baskerville – zur Überraschung des Veranstalters. Aber weder Morris noch ein eigens dazu befragter Psychologie-Professor konnten sich einen Reim darauf machen.
Dass allerdings Schriftarten Images mittransportieren, wissen wir in Deutschland seit Martin Liebigs tollen „Untersuchungen zur Lesbarkeit von Schrift im World Wide Web“. In seiner Dissertation hatte der heutige Journalismus-Professor wichtige Erkenntnisse über das Lesen im Internet erzielt. Mit der Wahl einer Schrift, fand Liebig heraus, lassen sich kaum Tempogewinne beim Lesen erzielen – genau das hatte mancher Professor früher gern behauptet. Aber Liebig stellte in einem Nebenergebnis der Studie etwas noch Spannenderes fest: Leserinnen und Leser erwarten bei Antiqua-Schriften (die mit den Serifen/Füßchen) eher belletristische Inhalte, während sie bei Grotesk-Schriften (Arial, Calibri etc.) eher Sachtexte vermuten …
Zu seiner Studie hat Martin Liebig übrigens eine sehr lesenswerte Zusammenfassung geschrieben (Link=PDF).