
In einer Kleinstadt am Niederrhein kandidiert aktuell ein AfD-Politiker namens „Führer“ für das Bürgermeisteramt. Darf man darüber Witze machen? Und was bedeutet das alte journalistische Prinzip „no jokes with names“ eigentlich genau?
Von Stefan Brunn
1. Was darf man nicht?
Spott, Herabsetzung, Schmähungen auf Kosten des Namens – das alles ist tabu. Menschen können nichts für ihren Namen. Wer sich darüber lustig macht, kann Persönlichkeitsrechte verletzen und muss im Ernstfall mit hohen Schadenersatzforderungen rechnen. In einem damals öffentlich breit diskutierten Fall einer jungen Frau namens Lisa Loch, über die Stefan Raab vor 20 Jahren anzügliche Witze gemacht hatte, betrug der Schadenersatz 70.000 Euro.
Auch im Bundestag gab es entsprechende Grenzverletzungen. Herbert Wehner (SPD) kam aber mehrmals mit Rügen davon, wenn er zum Beispiel den CDU-Kollegen Jürgen Wohlrabe eine „Übelkrähe“ nannte oder Jürgen Todenhöfer als „Hodentöter“ verunglimpfte. Solche Wortspiele sind natürlich keine Schwerverbrechen (wie auch die häufigen Namens-Verballhornungen der Boulevardpresse), aber sie verstoßen schlicht gegen journalistische Standards und parlamentarische Umgangsformen – etwa die Regeln des Pressekodex oder des Bundestags.
2. Darf man denn gar nicht darüber berichten, wenn jemand einen besonders passenden oder unpassenden Namen trägt?
Doch, selbstverständlich – wir tun das hier ja auch. Und das Internet ist voll von Artikeln mit witzigen Namensbeispielen: dem Pressesprecher Bär vom Zoo Hannover, der Finanzberatung Abzieher, der Tischlerei Morsch, der Hebamme Storch, dem Zahnarzt Krone, der Tierärztin Dr. Schnurrer oder dem Friseursalon Breitschädel.
Solche Kombinationen dürfen natürlich erwähnt werden. Viele dieser Personen oder Betriebe profitieren vielleicht sogar von der Namens-Koinzidenz. Was allerdings tabu bleibt, sind spöttische Ableitungen oder Wortspiele zu Lasten der Betroffenen. Die Regel „no jokes with names“ dient also vor allem als Warnung vor der Versuchung, daraus Gags zu machen – besonders für junge Journalistinnen und Journalisten.
3. Muss der Name „Führer“ völlig unkommentiert bleiben?
Nein. Es ist journalistisch völlig legitim, einen Kandidaten mit seinem Namen zu nennen und dazu auch etwas zu schreiben. In Wachtendonk am Niederrhein steht Hans-Peter Führer ja ganz offiziell auf der Kandidatenliste für das Bürgermeisteramt. Dass der Name Assoziationen weckt, liegt auf der Hand – nur ergibt sich daraus kein Freibrief für ironische Kommentare.
In die Verlegenheit allzu kreativer Schlagzeilen wird die Presse ohnehin nicht kommen: Bei den letzten Kommunalwahlen 2020 erhielt die AfD in Wachtendonk nur 3,87 Prozent der Stimmen.

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